PERSONENMARKETING

Personenmarketing wurde entworfen, um die reflexartige Abwehrhaltung von Zielgruppen gegenüber Werbung zu durchbrechen, wie sie durch permanente Überflutung mit den häufig schrillen Parametern typischer Werbung erzeugt wird. Die Vorgehensweise, von Werbebotschaften, die Zielpersonen immer direkt anzusprechen (zum Beispiel »Ihr Ticket …«, »Ihr Vorteil …«, »Nutzen auch Sie …«, »… genießen Sie den Frühling«, »… weil Sie es sich wert sind.«) wird im Personenmarketing konsequent abgelehnt, vielmehr in ihr Gegenteil verkehrt. Stattdessen rückt im Stadium der ersten Kontaktaufnahme der Absender der Botschaft in den Mittelpunkt und mit ihm seine Arbeit und seine Persönlichkeit.

Dabei wird der Zielgruppe kein Produkt, keine Firma und keine Marke präsentiert, sondern eine Einzelperson. Und zwar kein »Testimonial«, sondern der tatsächliche Absender der Botschaft. Diese real existierende, greifbare Instanz fungiert als lebendiger Anker für die Zielgruppe, die auf Grund des daraus wachsenden persönlichen Verhältnisses Vertrauen aufbauen kann.

GESCHICHTE

Personenmarketing ist eine Marketingmethode, die 1994 vom Autor und PR-Experten Stephan Gebhardt-Seele entwickelt und in seinem Buch »So bekommen Sie Aufträge« erstmals beschrieben wurde. Gebhardt-Seele suchte in den 80er-Jahren nach einer leicht durchführbaren Auftragsbeschaffungsmethode für Selbständige und hielt seine Ergebnisse später in oben genanntem Buch fest, das in überarbeiteter und erweiterter Form 2002 unter dem Titel »Immer gute Auftragslage. Neue Kunden durch Personen-Marketing« veröffentlicht wurde.

Da Gebhardt-Seele von 1994 bis 1998 in Deutschland Seminare zum Thema Personenmarketing gab, die hauptsächlich von Selbstständigen und kreativen Freiberuflern besucht wurden, existieren mittlerweile mehrere individuell ausgelegte Definitionen zu diesem Begriff, die von Seminarteilnehmern auch auf deren Firmenseiten im Netz verbreitet werden. Ebenso beziehen sich viele der Unternehmen, für die der Autor Personenmarketing-Kampagnen zur Neukundengewinnung entwickelt hat auf den Begriff. Da die Methode allerdings von Stephan Gebhardt-Seele erstmals entwickelt und beschrieben wurde, bezieht sich dieser Artikel auf seine Definition.

ANWENDUNG

Bekannte (typischerweise mittelständische) Unternehmer, die sich der Personenmarketing-Strategie schon seit langem konsequent bedienen, sind Willi Pfannenschwarz vom Seitenbacher Müsli, Claus Hipp für seine Babynahrung, Albert Darboven für IDEE-Kaffee, Rolf Dittmeyer für Valensina Orangensaft, Ernst Prost – Geschäftsführer der Liqui Moly GmbH in Ulm – und Wolfgang Grupp – alleiniger Geschäftsführer und Inhaber der TRIGEMA W. Grupp e.K.

THEORETISCHER HINTERGRUND

Gemäß einer der umfangreichsten Konsumentenbefragung zum Thema »wem oder was vertrauen die Menschen«, der Reader’s Digest Trusted Brand Survey,liegt die Werbung in Deutschland mit sechs Prozent auf dem letzten Platz der vertrauenswürdigen Institutionen und damit noch einmal weit unter dem EU-Durchschnitt von 14 Prozent.

Auch bei der Frage, »wie sehr trauen Sie den Kommunikationsarten von Unternehmen, Organisationen, Marken, Produkten oder Dienstleistungen?« landeten die Posten »Werbung in Geschäften«, »Werbung in Zeitungen« und »Werbung im Radio« auf den hinteren Plätzen. An erster Stelle fand sich dagegen die »Empfehlung von Freunden oder Bekannten (Offline)«. Personenmarketing ist eine Methode, die eine solche Situation am ehesten nachempfindet.

Der kanadische Professor für Kommunikation, Philosophie und Literatur, Marshall McLuhan, hatte bereits Mitte des letzten Jahrhunderts die These aufgestellt, dass »Werbung lügt«. Mit dieser Erkenntnis sowie seiner Kernaussage, »das Medium ist die Botschaft«, legte er den Grundstein für die moderne Medientheorie. Die Parallele von Gebhardt-Seeles Personenmarketing zu McLuhans Theorien besteht darin, die Person des Absenders zum eigentlichen Medium und damit zur Botschaft zu machen.

PRAKTISCHER HINTERGRUND

Personenmarketing wurde entwickelt als eine durchführbare Alternative zur telefonischen Kaltakquise. Obwohl in der Gesellschaft eine breite Übereinstimmung dahingehend herrscht, dass Kaltakquise unbeliebt und unangenehm ist – sowohl bei dem, der sie betreiben muss, um neue Kunden zu finden, als auch bei den Zielgruppen – halten viele Selbständige und Vertriebsleute die Kaltakquise (vulgo: Klinkenputzen) oder Canvassing nach wie vor für eine unverzichtbare, wenngleich wenig komfortable Methode zur Neukundengewinnung.

Die Idee hinter dem Personenmarketing beruht auf dem in der Geschäftswelt unbeliebten Überhang von Theorien, Symbolismen und Konzepten, die sich zumeist nichtssagend anhören und nicht greifbar sind. Die Zielgruppen sind dessen überdrüssig und haben einen Widerwillen dagegen entwickelt, sich mit rein konzeptionellen Inhalten zu befassen. Demnach ist Personenmarketing weniger auf den Empfänger, sondern vielmehr auf die reale Person des Absenders zugeschnitten.